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Der Stephansdom und sein vergessener Friedhof: Unbekannte Geschichten aus den Tiefen Wiens berühmtester Kirche


Das makabre Geheimnis des Stephansdom in Wien

Der Stephansdom in Wien (Fototcredit: ArchäoNOW)
Der Stephansdom in Wien (Fototcredit: ArchäoNOW)

Genauso wie ein Wien ohne Schloss Schönbrunn, kann sich niemand ein Wien ohne den Stephansdom, von den Wienern liebevoll als „Steffl“ bezeichnet, vorstellen. Doch nur die wenigsten wissen, dass es rund um den Stephansdom (damals noch die Stephanskirche) einen Friedhof gab- der sogenannte Stephansfreithof.

Laut Überlieferungen, aus dem Jahr 1547, wurde nur ein Teil des Platzes, um die damalige Stephanskirche, als Friedhof genutzt. Um selbst im Tode noch den Gottesdiensten beiwohnen zu können, wollten die Menschen der damaligen Zeit so nah wie möglich beim Altar bestattet werden.

Doch nicht allen wurde das Privileg einer Grufbestattung innerhalb der Kirche zuteil- sie wurden am Stephansfreithof beerdigt.

Doch die makabre Vorgeschichte des, heute mit Asphalt bepflasterten, Stephansplatzes um den Stephansdom in Wien beginnt schon zur Zeit der Römer.

Dort, wo heute zur Weihnachtszeit Punschstände stehen und Touristenführer ihre Programme verteilen, wurden bereits ab der Spätantike Gräber angelegt. Im Gegensatz zu heute gab es jedoch keine zentrale Kirche oder Ähnliches. 

Richtig „tot“ wurde es ab dem 9. bzw. 10. Jahrhundert rund um den Steffl. Im Zuge von archäologischen Grabungen fand man unter dem heutigen Stephansdom in Wien zahlreiche Bestattungen; leider konnte kein archäologischer Nachweis gefunden werden, dass es sich schon um einen „richtigen“ Friedhof mit Gotteshaus gehandelt hat.

Die baulichen Anfänge des Stephansdomes sind bis heute ungeklärt. Wie er ausgesehen hat und wann der erste Stein gelegt wurde, ist nicht ganz klar zu sagen. Vermutet wird jedoch von Archäologen,  dass die Grundbausteinlegung 1137 erfolgte. 

Der Stephansfreithof selbst, der ursprünglich von einer babenbergerischen Ringmauer umgeben war, wurde 1255 zum ersten Mal unter dem Namen Leichhof urkundlich erwähnt. Erst deutlich später, nämlich 1587, wird für diesen Gottesacker die Bezeichnung Stephansfreithof verwendet. Bereits sehr früh mussten Teile des Friedhofes dem Bau des gotischen Chors (1304-1340) und der Erweiterung der Kirche (1359-1511) weichen. Jedoch wurde bereits 1309 ein Stück des Deutschen Ordens erworben und zum Friedhofsgelände umfunktioniert.

Die Gräberfelder des Stephansfreithof

Der Stephansfreithof war in "Bühel" unterteilt (schematisches Foto)
Der Stephansfreithof war in "Bühel" unterteilt (schematisches Foto)

Wie bereits einführend erwähnt, war es das Ziel vieler Menschen der damaligen Zeit, so nah wie möglich am Altar bestattet zu werden. All jene, die keine Gruftbestattung erhielten, wurden auf den so genannten „Bühel“ (Grabfelder) rund um die Kirche, bestattet. Insgesamt gab es 8 größere und kleinere Bühel, die durch Wege voneinander getrennten waren. Namentlich überliefert sind zum Beispiel:

- der „Fürstenbühel“ (nördlich des Langhauses)

- der „Palmbühel“ (nördlich des Chores)

- der „Studentenbühel“ (gegen die Schulerstraße) oder

- der „Römerbühel“ (gegen das Deutsche Haus und die Churhausgasse)

 

Da der Stephansfreithof ursprünglich von einer Mauer umgeben war, konnte man den Friedhof tagsüber durch vier große Tore betreten:

das Mesnertor, das Zinntor, das Stephanstor und das Schulertor. Diese Tore wurden 1788 niedergerissen.

Das Ende des Stephansfreithof

Man kann sich nur schwer die Mengen an Toten vorstellen, die über Jahrhunderte am Stephansfreithof bestattet wurden. Was man sich jedoch gut vorstellen kann ist der immense Gestank, den die, in meist zu flachen Gräbern bestatteten, Leichen verursachten.

Daher wurde bereits 1530 durch Kaiser Ferdinand I. aus hygienischen Gründen ein Verbot gegen Bestattungen am Stephansfreithof ausgesprochen; jedoch blieb dieses nicht lange aufrecht.

Erst 1732, also fast 200 Jahre später, erfolgte eine endgültige Sperre des Freithofs durch Kaiser Karl VI. Als der Friedhof 1783 aufgelassen wurde, wurden die bedeutendsten Grabsteine an der Kirchenfassade angebracht und können noch heute dort bewundert werden.

Ebenfalls führte die Schließung des Stephansfreithof zur Gründung der „neuen Grüfte“ - ab dem 19 Jahrhundert sind diese unter der Bezeichnung Katakomben bekannt. 

 

Wir wünschen euch einen schaurig-schönen Abend!

 

Euer ArchäoNOW-Team


 

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Text:

Sarah Ambichl, BSc.

Teil des ArchäoNOW-Teams und Studentin der Anthropologie und Archäologie

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