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Das Fortdauern der Hinrichtungen: Von Galgenhügeln und Räderkreuzen in der Geschichte


Nachdem wir im letzten Blogartikel die Hinrichtungsstätten im Wiener Stadtkern genau unter die Lupe genommen haben, widmen wir uns heute den äußeren Bezirken und sogleich den ältesten sowie wichtigsten Hinrichtungsstätten in Wien!

Der Rabenstein, 9. Bezirk

Im 9. Bezirk befand sich der Rabenstein in der Rossau, heute im Bereich des Schlickplatzes, und wurde vermutlich bereits ab 1311 als Richtplatz genutzt und wäre somit die älteste Richtstätte Wiens! Der Name Rabenstein lässt sich von den dort umherkreisenden Raben ableiten, die sich von den verwesenden Leichen ernährt haben… den Rest wollen wir uns besser nicht vorstellen.

Hinrichtungsstätte "Rabenstein" in Rossau bei Wien*
Hinrichtungsstätte "Rabenstein" in Rossau bei Wien*

Auf dem ebenfalls außerhalb der Stadtmauer befundenen Wiener Hochgericht vor dem Schottentor, wie es auch genannt wurde, fanden vorwiegend das Hängen und Rädern, aber auch das Enthaupten mit dem Schwert und Vierteilen statt.

 

Dieser Platz war sogar mit einer steinernen Hinrichtungsplattform ausgestattet und wurde vorwiegend im 18. Jahrhundert genutzt. Übrigens, die Blutbannsäule vom Hohen Markt wurde 1706 hierher versetzt und die letzte vollzogene Räderung in Wien fand 1786 an Franz de Paula Zaglauer von Zahlheim statt - mit dieser Hinrichtung beschäftigen wir uns jedoch erst im nächsten Blogartikel näher!

1788 wurde die Richtstätte am Rabenstein abgetragen, nur der Galgen blieb bis 1804/05 erhalten, danach wurde er zum „Neuen Wiener Galgen“ versetzt, doch dazu kommen wir noch weiter unten. Die Glacis (= Grünfläche) vor dem Schottentor wurde auch danach immer wieder für Hinrichtungen benutzt, z.B. wurden am 31. Jänner 1818 der Räuberhauptmann Johann Georg Grasel und seine drei Komplizen hier gehängt. Angeblich haben dieser Hinrichtung 60.000 Menschen beigewohnt!

Der Wienerberg, 10. Bezirk

Wienerberg mit Bildseul (Spinnerin am Kreuz), links davon Hochgericht, links unten "Reder an der straß"**
Wienerberg mit Bildseul (Spinnerin am Kreuz), links davon Hochgericht, links unten "Reder an der straß"**

Auf dem Wienerberg im 10. Bezirk gab es zwei Hinrichtungsplätze, das sogenannte Hochgericht am Wienerberg, bei der Spinnerin am Kreuz, und die Richtstätte beim Räderkreuz, welche näher zur Stadt lag.

Damals lagen diese beiden Hinrichtungsstätten außerhalb des Stadtgebiets, in der Nähe der heutigen Triester Straße, und dienten vor allem zur Abschreckung von Gräueltaten, da die Gehängten oft schon von weitem zu sehen waren. Ein Galgen war jedoch auch ein Symbol der Macht und vor allem Gerechtigkeit, denn sie waren auch ein Zeichen für die Erlangung der hohen Gerichtsbarkeit. Jedoch wurde am Wienerberg nicht nur gehängt und gerädert, sondern ebenso verbrannt, geköpft und gevierteilt.

 

Die Hinrichtungsstätten am Wienerberg wurden gehören gemeinsam mit dem Rabenstein zu den ältesten Richtplätzen in Wien. Die Zeichnung von Nikolaus Meldemann aus dem Jahr 1529 zeigt sowohl das Hochgericht am Wienerberg (oben, fast mittig) mit der Spinnerin am Kreuz (gotische Steinsäule, rechts oben) als auch den Richtplatz „Reder an der straß“ (links unten).

Nebenbei bemerkt gab es nicht nur Galgen aus Holzkonstruktionen, sondern auch Galgen aus Stein oder Ziegel, meist gemauerte Rundpfeiler. Einige sind in Österreich auch heute noch auf den sogenannten Galgenbergen erhalten! Es gab damals sogar den Beruf des Galgenzimmermannes, aber genauso wie die Henker gehörte auch diese Berufsparte nicht zu den ehrbaren. 

Das Hochgericht zur Spinnerin am Kreuz, 10. Bezirk

Die Spinnerin am Kreuz auf dem Wienerberg im 10. Bezirk verdankt ihren Namen einer Legende: eine Frau wartete spinnend tagein, tagaus auf dem Wienerberg auf ihren Gemahl, welcher in den Kreuzzug gezogen war, und finanzierte sich ihr Leben mit der Spinnerei. Als ihr Mann wohlbehalten heimkehrte, ließ sie aus Dankbarkeit und durch ihren Verdienst eine gotische Lichtsäule errichten, welche damals die äußerste Grenze der Wiener Stadtgerichtsbarkeit markierte. In der Nähe dieser Säule befand sich der Richtplatz. Die Steinsäule ist bis heute erhalten, wer diese jedoch wirklich erbauen ließ, ist bis heute unklar, meistens wird sie dem Baumeister Michael Knab zugeschrieben. In Österreich gibt es noch die sogenannte Tutzsäule in Klosterneuburg und eine in Wiener Neustadt, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der Steinsäule in Wien aufweisen, sowie weitere Säulen in Deutschland und in Tschechien.

Kaiserin Maria Theresia ließ 1747 den Galgen von der Spinnerin am Kreuz zum Rabensteinplatz verlegen und löste somit den Galgenplatz auf, damit sie sich den grauenhaften Anblick während der Überfahrt nach Schönbrunn ersparen konnte. Bis 1805 stand der Galgen am Rabenstein, danach wurde er auf Drängen der Bevölkerung wieder auf den Wienerberg zurückversetzt, so entstand die Richtstätte der „Neue Wiener Galgen“, beinahe an der gleichen Stelle wie die Hinrichtungsstätte am Räderkreuz, dazu jedoch später mehr. Anhand von Bildern könnte es sich um einen Vierseitgalgen auf einem gemauerten Plateau gehandelt haben.

Die Richtstätten beim Räderkreuz, 10. Bezirk

Bevor man das Hochgericht am Wiener Berg erreichte, befand sich der Hinrichtungsplatz „Reder an der straß“ – wie der Name bereits andeutet links an der Straße– auf einer kleinen Erhöhung in der Nähe der damaligen Neustädter Poststraße, die heutige Triester Straße (auf Höhe der Davidgasse), und hat seinen Namen durch die bis 1868 dort gestandene Mariensäule, die Räderkreuz genannt worden ist. Der Hügel wurde als „Armensünderhügel“ bezeichnet, da sich um die Säule herum mehrere Grabhügel befanden.

1747 wurde auch dieser Hinrichtungsplatz von Maria Theresia aufgelöst, jedoch wurde in unmittelbarer Nähe 1804 ein neuer Hinrichtungsplatz errichtet - der „Neue Wiener Galgen“. 1805 wurde nun der Galgen vom Rabenstein zum neuen Richtplatz transferiert und ab 1850 wurden hier alle öffentlichen Hinrichtungen vollstreckt.

Am 30. Mai 1868 wurde beim „Neuen Galgen“ auch die letzte öffentliche Hinrichtung vollzogen. Der Tischlergehilfe Georg Ratkay wurde vor 151 Jahren wegen Raubmord durch den Galgen hingerichtet. Eine Bemerkung am Rande: Manche Quellen sprechen auch davon, dass die Hinrichtung bei der „Spinnerin am Kreuz“ stattgefunden hat, da diese jedoch 121 Jahre zuvor aufgelöst worden ist, wäre dies wohl kaum möglich gewesen. Aber da die Lokalisierung fast ident war, ist es nicht verwunderlich, dass manche auch hierzu „Spinnerin am Kreuz“ sagen. 

Das furchtbare Benehmen der Schaulustigen, die dieser Hinrichtung beiwohnten und teilweise sogar schon in der Nacht zuvor am Wiener Berg lagerten, bewirkte, dass Kaiser Franz Joseph I. eine Verfügung erließ, dass Hinrichtungen nur mehr durch den Ausschluss der Öffentlichkeit vollstreckt werden durften! 1873 wurde dies in der Strafprozessordnung entsprechend verankert.

Ab 1876 fanden Hinrichtungen im Wiener Landesgerichtsgebäude I in einem der Höfe statt, im sogenannten Galgenhof. 

Simmeringer Haide, 11. Bezirk

Zu den äußeren Bezirken gehören natürlich auch die Simmeringer Haide, die 1529 als Zeltlager für die Osmanen und später als militärischer Übungsplatz diente, und die Gänseweide, über die wir bereits ausführlich berichtet haben. Aber wusste ihr, dass Verbrennungen am Scheiterhaufen sehr teuer waren und deswegen seltener stattgefunden haben und dass dadurch manche Städte im Wahn der Hexenverfolgung fast in den Ruin getrieben wurden? Einerseits waren die Materialien teuer – sachmäßig getrocknetes und zugeschnittenes Holz, manchmal auch Strohballen und Weideruten – keine günstigen Rohstoffe!

 

Andererseits musste der Aufbau eines Scheiterhaufens genau nach (Zeichnungs-)Anleitung vorbereitet und konstruiert werden, damit dieser den Körper dementsprechend lange brennen konnte, um auch wirklich zu Asche werden zu können – und um den Täter und dessen Tat zu reinigen und auszulöschen – als hätte er nie existiert. Manchmal benötigte man einen Blasebalg oder goss brennbare Flüssigkeit in das Feuer, um die Flammen aufrecht erhalten zu können. Warum zu Asche? Nun, nur wenn das Böse zu Asche geworden war, würden die Dämonen zerstört und eine Auferstehung des Fleisches am jüngsten Tag verhindert werden können. Und nachdem die Asche auch noch verstreut worden ist, konnte auch die Seele nicht mehr weiterleben – so zumindest das damalige geistliche Gericht…

 

Nächste Woche werden wir uns näher mit der Blutgerichtsbarkeit und der Volksjustiz beschäftigen, es bleibt spannend!


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*Bildquelle: Karl Hofbauer: Die Rossau und das Fischerdörfchen am oberen Werd. Wien 1866, S. 27-30.

**Bildquelle: Ausschnitt der Rundansicht Wiens bei der 1. Türkenbelagerung. Von Nikolaus Meldemann († 1552) (C) Gemeinfrei

https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=69806076


Text:

Manuela Supan, BA.

Teil des ArchäoNOW-Teams und Studentin der "Urgeschichte und Historischen Archäologie" 

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Kommentare: 2
  • #1

    Jutta Policzer (Samstag, 04 Dezember 2021 10:27)

    Danke - ein spannender Beitrag
    Was mir allerdings unverständlich erscheint ist, dass Maria Theresia über die Triester Straße nach Schönbrunn gefahren sein soll!? Die Maria Hilfer Straße verbindet die Hofburg ja auf direktem Weg.

  • #2

    Franz Haider (Donnerstag, 07 Dezember 2023 23:58)

    Hallo,
    klasse Artikel, solltet ihr nochmal durchlesen und korrigieren, da sich ein paar Fehler drin befinden.

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